Der Klimawandel bringt für Architektinnen und Landschaftsarchitekten, für Städtebauerinnen und Verkehrsplaner ein neuer Parameter in die Projektierungen. Die modernistische Formel «Licht, Luft und Sonne» wird um Wind und Beschattung erweitert.
Der See und die Hügel: Zürichs Topografie hat auch klimatisch ihre Vorteile, denn sie ermöglicht es, Stadtquartiere natürlich zu durchlüften. Ein Ziel der Fachplanung Hitzeminderung ist daher der Erhalt der Windsysteme. Im Kapitel Kaltluftsystem der FPH wird klar, dass davon auch Städtebau und Architektur betroffen sind, denn die Platzierung und die Dimensionierung von Bauten müssen künftig mit den Windsystemen in Einklang sein – vor allem an den Hängen, wo die stärksten Kaltluftströme fliessen. 2019 begann das Amt für Hochbauten die Thematik in Architekturwettbewerben zu berücksichtigen. Gleich das erste Verfahren für die Wohnsiedlung Goldackerweg der Baugenossenschaft Sonnengarten löste heftige städtebauliche Diskussionen aus. Denn das kleinteilige Siegerprojekt der jungen Architekten StudioBoA & Amadeo Linke will nicht der Idee der Grossstadt Zürich entsprechen. Es bezieht sich auf die Stadtgestaltungstheorie von Camillo Sitte und kommt mit vielen bunten, zu Dreiergruppen gesetzten Giebeldachhäusern zur verlangten Dichte und Durchlüftung. Dagegen prägt die Wohnsiedlung Triemli gleich gegenüber, von Krucker von Ballmoos Architekten 2011 erbaut und ebenfalls Teil der Genossenschaft Sonnengarten, eine städtebaulich gegensätzliche Haltung. Die hart in Szene gesetzte Grossform akzentuiert selbstbewusst den Stadtrand. Weil der von zwei achtgeschossigen Bauten gerahmte Hof durch seine Öffnungen mit den Kaltluftströmen des Uetlibergs in Verbindung steht und die kalte Luft im Hof hält, schneidet er in der Fachplanung gut ab. Mit anderen Worten: In Bezug auf die Kaltluftströmung gibt es überraschenderweise nicht die eine, vermeintlich richtige städtebauliche Grössenordnung oder Siedlungsform. Allerdings ist es in der Planung schwierig, den Windaspekt richtig einzuschätzen. Dass die Siedlung Goldackerweg den Kaltluftstrom nicht behindert – für die Projekte der engeren Wahl wurden während der Jurierung die Windströme simuliert –, kann sich ein Laie denken. Bei der Siedlung Triemli ist diese Tatsache jedoch nicht so augenfällig mit ihren sechs bis acht Stockwerken und der fast geschlossenen Form. Sollen Kaltluftströme nicht zu städtebaulichen Diskussionskillern werden, wären eine Beratungumfassende Informationen wichtig, damit Architektinnen und Landschaftsarchitekten differenziert bauen und argumentieren und das Thema integrieren können. Auf Nachfrage bei Christine Bächtiger, die beim Amt für Umwelt und Gesundheitsschutz Zürich die Umsetzung der Fachplanung koordiniert, gibt es dafür bereits unabhängige Fachleute, von städtischer Seite ist es aber im Moment nicht keine Fach- oder Beratungsstelle geplant. «Eine solche Beratung könnte müsste ein Instrument zur Modellierung beinhaltennoch nicht viel ausrichten, denn das Thema Durchlüftung ist komplex und ein Variantenvergleich nur über Modellierungen möglich.» Die Stadt prüfe, in ein solches Instrument für solche Modellierungen zu investieren. Solange dessen Anwendung freiwillig sei und gesetzlichen Vorgaben fehlten, die damit nachgewiesen werden müssten, fehle aber ein wichtiges Argument, um die Investition zu legitimieren – «auch wenn ein solches Tool natürlich wichtig wäre, um das Kaltluftsystem zu erhalten», sagt Christine Bächtiger.