Berufstätige Architektinnen mit Kindern sind noch immer die Ausnahme in der Schweizer Bürolandschaft. Die wenigsten Ateliers bieten Müttern Arbeitspensen an, neben denen die Familie noch Platz hat. Viele Frauen wandern deshalb nach der Geburt eines Kindes in verwandte Bereiche ab. Auf der Suche nach Teilzeitstellen in Schweizer Architekturbüros.
Nach dem langen und intensiven Architekturstudium gehört es zum guten Ton, in verschiedenen Büros Berufserfahrung zu sammeln. Die meisten Architekten und Architektinnen machen das mit dem Ziel, ein eigenes Atelier zu gründen, in dem dann der Verwirklichung der eigenen Ideen nichts mehr im Wege steht. Diese Entwicklung verläuft aber bei Frauen und Männer unterschiedlich, denn irgendwann in ihren Dreissigern verschwinden viele Architektinnen aus den Büros. Die Statistik zeigt diesen Bruch deutlich: An der ETH Zürich sind heute 45 Prozent der Studierenden der Architektur Frauen, während im Jahr 2000 der Frauenanteil im Architekturberuf gerade mal zwölf Prozent ausmachte. Christina Schumacher, Dozentin für Soziologie an der Architekturabteilung der ETH Zürich, hat in ihrer Forschungsarbeit ‹Zur Untervertretung der Frauen im Architekturberuf› festgestellt, dass diese ungleiche Verteilung branchenspezifisch ist: Beispielsweise sind in Rechts- und Medizinberufen – bei ähnlichem Frauenanteil im Studium – in der Praxis annähernd doppelt so viele Frauen vertreten.
Gründe dafür sind im traditionell männerdominierten Architekturgewerbe sowie im ständigem Zeit- und Kostendruck der Baubranche zu finden, aber auch gesellschaftliche Geschlechterbilder scheinen eine Rolle zu spielen. Sie zeichnen sich heute oft erst zum Zeitpunkt der Familiengründung ab. «Denn in der Arbeitswelt sind berufstätige Mütter eine Provokation. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind tatsächlich krank wird. Es genügt, dass die Mutter dazu bereit wäre, auf etwas Rücksicht zu nehmen, das mit der Arbeit nichts zu tun hat.», schreibt Sieglinde Geisel dazu in der NZZ. Gerade für die sich in der Regel als fortschrittlich definierenden Architekten ist die Infragestellung des Architektur-Arbeitsethos – also dass Architektur eine Berufung ist, neben der alles andere zurücksteht – durch das banale Private der eigentliche Skandal. So möchte etwa der junge Architekt Christoph Gantenbein niemanden neu Teilzeit anstellen, denn eine solche Bewerbung lege für ihn ein zu starkes Gewicht auf per-sönliche Bedürfnisse neben der Arbeit. Um ihre architektonischen Ziele zu erreichen, sind Christ & Gantenbein auf Mitarbeiter angewiesen, die bereit sind, mit fast unbegrenztem Einsatz Höchstleistungen zu erbringen. Der Architekt räumt jedoch ein, dass im Falle einer Schwangerschaft einer Angestellten auf jeden Fall Lösungen gesucht würden, um sie weiter beschäftigen zu können.