In Tuggen am oberen Ende des Zürichsees steht das neueste fertig gestellte Wohnhaus des Zürcher Architekturbüros Meili Peter. Es darf auch wegen seines relativ kleinen Umfangs von 16 Wohnungen als Labor für grössere Wohnbauvorhaben gelten.
Die Wohnungen in Tuggen weisen insbesondere Verwandtschaften mit dem Projekt für das Coop-Areal im Entwicklungsgebiet Zürich West auf. Die Ausstellung «Schmetterlinge und Knochen» im Zürcher Architektur Forum, die von Marcel Meili und Markus Peter Ende 2008 eingerichtet wurde, befasste sich mit ihren Wohnungsbauten und -projekten seit Anfang der 1990er-Jahre. Das Beispiel des 2007- 2008 gebauten Tuggener Hauses kann so in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden.
Im Text zur Ausstellung schreiben Meili und Peter, wie sich die Veränderung der Soziologie des Wohnens in den letzten fünfzig Jahre auf ihre Entwürfe für Wohnungen ausgewirkt haben: «Viele der Parameter, die als mehr oder weniger feste Grössen den Wohnungsbau der Nachkriegszeit begründet haben, verloren an Verbindlichkeit. ,Wohnen’ ist schwierig voraussagbar geworden. Diese Unsicherheit hat uns interessiert und unsere Arbeit voran getrieben.» Sie benennen vier Kristallisationspunkte der Veränderungen, die ihre Arbeit an Wohnhäusern entscheidend beeinflusst haben: Die abnehmende Zahl der Bewohner pro Wohnfläche, die Ablösung der klassischen Familie als Zielgruppe, die grosse Bandbreite sowohl der Arbeits- und Lebensrhythmen als auch der ästhetischen und räumlichen Vorlieben der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der ökonomische und ökologische Druck, der Gebäude mit immer grösserer Tiefe erfordere und neue Herausforderungen an die Organisation der Grundrisse stelle.
Der Grundstückszuschnitt in L-Form, dessen einer Schenkel zu schmal für eine Bebauung war, erzwang auch in Tuggen ein tiefes Gebäudevolumen. Und da alle Wohnungen Anteil an der kürzeren Südfassade haben sollen, sind sie quer durch den Baukörper gespannt und weisen mehrere Fassadenanstösse auf. Bei den ebenfalls sehr tiefen Grundrissen des Coop-Areals gewinnen Meili Peter im Haus C durch grosse Spannweiten und dicke Geschossdecken statische Freiheiten, welche die Möglichkeit der Grundrissvarianten ins Unendliche steigern: Geplant sind 110 verschiedene Wohnungen in einem Gebäude – ob sie auch alle wie vorgesehen realisiert werden können, ist allerdings noch offen. Im Anklang daran wandten Meili Peter in Tuggen eine «halbkonventionelle Kartenhaustatik» (Wortlaut im Ausstellungstext) an, die über eine teilweise Überkreuzung von Wänden funktioniert und so Grundrissvarianten jenseits von starren Stapelungen ermöglicht. Von den 16 Wohnungen kommt ein Typus dreimal und einer zweimal vor; die anderen elf Wohnungen existieren in ihrer spezifischen Ausprägung jeweils nur einmal. Wie die Architekten in ihrem Text zur Ausstellung schreiben, geht es ihnen beim Projekt auf dem Coop-Areal auch darum, neu zu definieren, was es bedeutet, in einem sehr grossen Haus zu wohnen: «Die Vielfalt der Wohnungen […] behandelt Grösse letztlich nicht mehr als Faktor der Serialität, sondern wie die Gliederung eines riesigen Organismus. Wenn Wohnungen verschieden, nicht repetitiv sind, so wird deshalb diese individuelle Qualität nicht durch die Tatsache geschmälert, dass jeder nur in einer Wohnung wohnt. Die Vielfalt ist eine Eigenschaft, die von allen wahrgenommen wird.» Das Haus als Organismus zu sehen, gerade wenn es wie die künftigen Bauten im Coop-Areal mehrere Hundert Menschen aufnehmen kann, kehrt die Verhältnisse gegenüber dem Corbusianischen Begriff der Wohnmaschine aktiv um. Denn im grossmassstäblichen Siedlungsbau, sei er aus der Moderne oder jüngsten Datums (etwa in Zürich Nord), erkennt ein Mensch seine eigene kleine Wohneinheit eventuell nur am gestreiften Sonnenschirm oder dem Türvorleger mit Herz. Das verständliche Unwohlsein der Entwerfer gegenüber diesem Umstand verifiziert jedoch nicht zwingend die These, dass das Individuum die Vielfalt wahrnehme – und die Auflösung wird leider auch von Meili Peter nicht geboten. Denn je grösser das Haus ist, desto schwieriger wird es wiederum, diese Vielfältigkeit auch lesbar zu machen. In Tuggen erlauben es die überschaubaren Verhältnisse jedoch noch.