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Ökologische Experimentalhäuser aus den 1970er-Jahren

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Expomat

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Konzept, Text, Gestaltung: Roman Keller und Barbara Wiskemann. Beiträge u.a. von Suzanne Zahnd, Rein Wolfs, Daniel de Roulet; Gespräche u.a. mit Martin Heller, Kurt Aeschbacher, Jacqueline Fendt. Edition Patrick Frey 2002
Kunst+Architektur 09/2006

Ökologische Experimentalhäuser aus den 1970er-Jahren

Nachdem für die moderne Architektur dank technischer Errungenschaften neue Konstruktionen und Formen möglich geworden waren, setzte spätestens nach 1968 eine breite Diskussion über die negativen Aspekte der klassischen Moderne ein. Eine Gemeinsamkeit der verschiedenen architektonischen Strömungen, die sich diesem Themenkreis widmeten, ist die Abkehr von der funktionalistischen Moderne und die Suche nach einem individualisierten Ausdruck. Mit viel Experimentierlust und Enthusiasmus wurde dabei jenes Gebiet beackert, welches heute weit weg von Utopien und Ideologien auf der technischen Ebene von Labels wie Minergie oder Passivhaus besetzt ist.

Alten Bauernhäusern sieht man noch heute an, dass energiesparendes Bauen jahrhundertelang existentiell war für die meisten Menschen in unseren Breitengraden. Fossile Energieträger und Strom sind erst im 20. Jahrhundert zugänglich und erschwinglich geworden, vorher musste die Wärme mit mühselig gesammeltem oder geschlagenem Holz erzeugt werden. Gute Ausrichtung zur Sonne, kompakte Volumen und kleine Fensteröffnungen waren Folgen dieser Bedingungen. Und selbst wo räumlich verschwenderisch gebaut wurde, wie etwa in Schlössern und Palästen, scharte sich winters auch alles um den Kamin, denn die Räume waren nicht heizbar.
Nebst der zahlbar gewordenen Kohle und dem Heizöl kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch neue Baumaterialien auf den Markt oder konnten industriell preiswert hergestellt werden. Stahl und Glas waren in grossen Formaten verfügbar geworden und die Erfindung des Stahlbetons revolutionierte die Möglichkeiten für Tragwerk und Bauablauf, was die Architektur enorm beeinflusste. Die Machbarkeit euphorisierte Bauherrschaften wie Architekten, der Phantasie schienen keine Grenzen gesetzt. Die Heizung und nicht die Aussenhülle des Gebäudes bestimmte nun, ob ein Innenraum warm war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, für den Wiederaufbau und danach in der Hochkonjunktur wurde sehr schnell und im grossen Stil gebaut. Und Wwährend der Komfort anstieg, nahm die materielle Qualität der Bauten eher ab. Der tief greifende Wertewandel nach 1968 und die Ölkrise 1973 bereiteten dann endgültig den Boden für die breite Diskussion einer alternativen Architektur. Unter diesem Begriff versammelten sich verschiedenste Haltungen, welche die architektonische und städtebauliche Moderne für gescheitert hielten. Brüche existierten in der ‹schönen modernen Welt›von Anfang an, wurden aber spätestens ab 1968 unübersehbar: Durch die rasant zunehmende Zahl der Automobile verstopfte Strassen, Luftverschmutzung, Verslumung von spekulativ erstellten Grosssiedlungen, die tiefgreifende Umgestaltung der Landschaft durch den Bau der Autobahnen oder flächendeckende Einfamilienhaussiedlungen. Spuren des Misstrauens gegenüber dem modernen Projekt finden sich früh in Werken zu Architektur und Städtebau: ab 1951 machten die Mitglieder der später als Team 10 bekannten Nachwuchsgruppe des CIAM (Congrès International de l’Architecture Moderne) ihre Kritik an der Funktionentrennung zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit in der vom CIAM propagierten Städtebaulehre publik,[i] 1965 analysierte Alexander Mitscherlich in «Die Unwirtlichkeit unserer Städte»[ii] die Nachkriegsstadt und beschrieb sie als in weiten Teilen ihrer Lebenskraft beraubt. Rolf Keller, der Initiant und Architekt der berühmt-berüchtigten Siedlung Seldwyla in Zumikon, veröffentlichte 1973 die Publikation «Bauen als Umweltzerstörung»!

Die Zuwendung zum Natürlichen und Unperfekten

Im Sinne der Zeit ihrer Entstehung umfasst die alternative oder ökologische Architektur die verschiedensten Bemühungen, gesamthaft eine lebenswertere, menschlichere und der Natur nähere Architektur und Lebensweise zu entwickeln. Inhaltlich und stilistisch sind die damals entstandenen Gegenströmungen zur konventionellen Architektur zu unterschiedlich, um sie auf einen Nenner zu bringen. Die grösste Gemeinsamkeit ist die mehrheitliche Abkehr von der Moderne, die vor allem mit der funktionalistischen Architektur der Hochkonjunkturzeit gleichgesetzt wurde. Stahlbeton war das prägende Material der Moderne, und erhielt ein schlechtes Image als künstlicher, harter und kalter Werkstoff. Deshalb bekamen einfache, oft mit ruraler Architektur in Verbindung gebrachte Materialien wie Holz oder Lehm neue Aktualität. Bewohnerinitiativen, Partizipation bei der Planung und Selbstbau sowie das Unperfekte als Schritt zur Individualisierung, als Mittel gegen die Vereinnahmung durch Massenware spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Auch wurde mit dem Verzicht auf repräsentative Elemente als Statussymbole der bürgerlichen Gesellschaft das Einfache bevorzugt. Ökologische Architektur sei oft deshalb so wenig klassisch artikuliert, weil sie nicht vom Streben nach Perfektion geleitet werde und zudem der etablierten Architektur eine neue Sicht der Dinge entgegensetzen wolle, konstatiert Doris Haas-Arndt in ihrer Dissertation zu diesem Thema. Der Graben zwischen ästhetischen und ökologischen Standpunkten hat eine eindeutig ideologische Schlagseite: «In der Natur ist nichts hässlich; die Natur kennt das ästhetische Problem nicht. [...] Was ökologisch richtig ist, stimmt auch ästhetisch.» Was aber das räumliche Denken betrifft, besteht oft ein Unterschied bei den Schwerpunkten, und tatsächlich überzeugen wenige Bauten auf der räumlich-architektonischen Ebene ebenso wie durch eine ökologisch stringente Umsetzung. Die folgenden Im Folgenden werden aus der Fülle an Beispielen vier Gebäude mit eindeutigen architektonischen Qualitäten gezeigtBeispiele, die alle eindeutig auch architektonische Qualitäten aufweisen, sollen unterschiedliche Haltungen im Spektrum der alternativen Architektur in … in der Fülle der existierenden Beispiele veranschaulichen.

Der Garten in der fünften Etage

Ein von Ot Hoffmann 1970 in Darmstadt erstelltes Gebäude (Abb. 1) trägt einerseits den Wunsch zur Individualisierung des Wohnens in eine neue Richtung und übersetzt andererseits die Sehnsucht nach Grün in der Stadt in ein einfaches und verständliches Bild. Der Architekt wollte mit dem als Baumhaus bekannt gewordenen Gebäude eine lebenswerte Form des Wohnens in der Stadt aufzeigen, mitten in einer Zeit, als es viele vorzogen, ihr ideales Heim im Grünen ausserhalb des urbanen Kontexts zu suchen. Es geht ihm dabei aber nicht um ein schöneres Wohnen als Lifestyle, sondern um eine Versöhnung der Technik mit der Natur oder die Verbindung von Urbanität und Landleben.[vi] Diesen Ansatz versucht er auf verschiedenen Ebenen zu stärken, beispielsweise mit der Regenwassernutzung: «Dachrinnen kenne ich nicht. Das Wasser läuft so von einer Terrasse, die es durchtränkt, auf die nächste; und so fort. Rückhaltebecken, in denen Fische schwimmen und die sich in der Zwischenzeit ohne mein Zutun ein biologisches Gleichgewicht eingestellt hat, gleichen unterschiedliche Wasserstände aus; nur bei ganz starken Regengüssen läuft etwas in die Kanalisation über. Auf so bewässerten Dachflächen stellt sich bald ein natürliches Gleichgewicht der Pflanzenarten ein. Im Kiefernwald hat sich ein hartes Gras angesiedelt; sicher waren es Vögel, die die Kerne der Efeupflanzen mitgeschleppt haben».[vii]

Das von Ot Hoffmann «teilautark» genannte Wohnen in der Stadt umfasst von der Gemüsekultur mit eigener Kompostherstellung auf der Terrasse über die Abfalltrennung und die sinnvolle Regenwassernutzung auch die Installation eines Windrades zur Stromgewinnung auf dem Dach (dafür prozessierte er 19 Jahre). Er inventarisierte immer wieder, was wann auf seinen Dächern wuchs. Dieser direkte Bezug zu Pflanzen, Tieren oder dem Wetter ist ihm ein Anliegen für die Stadtbewohner. Hoffmann bevorzugt Low-Tech-Lösungen: Lieber macht er eine starke Betondecke und schüttet auf diese 50 cm Erde, als viele chemisch behandelte Folien zu verwenden; lieber lässt er das Regenwasser von Etage zu Etage fliessen oder er baut sich eine Wärmebox in seinem Wohngeschoss, die er mit seiner eigenen Körpertemperatur heizen kann. Auch das Konzept, den vorher am Ort bestehenden Garten flächenmässig in den grünen Terrassen zu kompensieren und das Haus von oben als grünes Grundstück bestehen zu lassen, basiert auf einem ganz einfachen Gedanken ohne theoretische oder rechnerische Untermauerung.
Architektonisch spannungsvoll ist dabei die gewählte, strenge Anlage als achtgeschossiges Turmhaus aus Sichtbeton mit zwei fast vollständig geschlossenen Seitenfassaden und durchgehenden, unterschiedlich tiefen Terrassen auf der Ost- und Westseite. Typologisch lässt sich das Haus von Le Corbusiers Citrohan-Typ ableiten, inhaltlich von dessen Immeubles-Villas, die den Komfort einer Villa als Maisonette-Wohnung inklusive zweigeschossigem Garten gestapelt in einem Geschosswohnungsbau kombinierten. Das vom Architekten selbst bewohnte Geschoss ist vier Meter hoch. Der rechteckige Grundriss umfasst neben Treppe, Lift und WC-Anlage keine fixen Einbauten und entspricht damit einem heutigen Lebensgefühl, nämlich ein unabhängiges, nomadisches Leben ohne bürgerlichen Luxus, jedoch mit allen Freiheiten zu führen (Abb. 2). Dass sich auf dem obersten Geschoss neben einem veritablen Kiefernhain ein Hallenbad und darüber eine Sauna befinden, unterstreicht nur diese komfortable Freiheit, die auch das Unmögliche möglich macht: Mitten in der Innenstadt auf dem Dach zu baden und danach nackt durch ein Kiefernwäldchen zu wandeln. 1970 hatte man für diese Form des Stadtlebens noch wenig Verständnis. Hoffmann schreibt: „Man kann diesen Wohnvorstellungen zum Vorwurf machen, dass sie zu elitär sind, für den repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung nicht zutreffen. Aber habe ich als Architekt nicht die Pflicht, Alternativen zu dem anzubieten, was als ‹Standard› bezeichnet wird?“[viii] Nach der Fertigstellung des Baumhauses gab es öffentlichen Protest, unterdessen ist es Bestandteil des Darmstädter Sight-Seeing-Programms geworden (Abb. 3). Das Gebäude war nie als Energiesparhaus gebaut und würde solchen Standards vermutlich in keiner Weise genügen. Als Versuch einer gebauten Utopie, wie das Leben in der Stadt auch noch sein könnte, hat es jedoch grossen Wert.

Die experimentierende Bauherrschaft

Dass das ökologische Bauen in seinen Anfängen viel mit der Initiative einzelner Personen zu tun hatte, veranschaulicht die Geschichte des Hauses der Familie Fröhlich in Davos (Abb. 4), das 1978 fertiggestellt wurde.[ix] Als Physiker am Weltstrahlungszentrum in Davos arbeitete Claus Fröhlich täglich mit dem Thema Sonnenstrahlung. Im Gespräch bezeichnet er diese Tatsache heute als stärksten Beweggrund, ein eigenes Haus zu planen, das mit möglichst wenig externer Energie betrieben werden konnte. Es sei für ihn klar gewesen, dass dies in Davos gehen müsse. Um diese Vision umzusetzen, machte er zusammen mit seinen Mitarbeitern Robert Brusa und Hansjürg Roth (die ihre Häuser ebenfalls nach diesen Überlegungen bauten) Berechnungen und erstellte ein Simulationsprogramm, um die Annahmen zu überprüfen. Als Physiker denke er in Systemen, und dies erachte er bei der Planung eines Solarhauses als essentiell. Zusammen mit dem Davoser Architekt Christian Meisser wurde ein auf diesen Erkenntnissen beruhendes Doppelhaus geplant. Aufgrund der Davoser Baugesetze hätten Sonnenkollektoren auf dem Dach wegen der Ausrichtung keinen Sinn gemacht, und so kam nur die Südfassade in Betracht, um vertikale Fassadenkollektoren anzubringen. Zusammen mit einer kontrollierten Lüftung mit Wärmetauscher und einer 20 cm starken Dämmung ist das Prinzip der Sonnenenergienutzung des Hauses Fröhlich erklärt. Speziell ist dabei, dass damals bei den sogenannten Solarhäusern vom direkten Einfangen der Sonnenstrahlung durch grosse, um 45°–60° abgeschrägte Glasflächen ausgegangen wurde, was ihnen auch ihren spezifischen Look gab. Dies bewirkte einen generellen Zielkonflikt zwischen Wärmegewinn und Wärmeschutz, [x] denn die gewonnene Wärme sollte ja im Haus behalten werden können. Fröhlich ist immer davon ausgegangen, dass vor allem der Wärmeverlust minimiert werden muss (der Bauplatz liegt auf 1645 m Höhe). Deshalb ist die Fensterfläche verhältnismässig klein gehalten, was er heute als zu vorsichtig bezeichnet, denn sogar in der kältesten Jahreszeit mit nur fünf Stunden Sonnenstrahlung am Tag wird durch die Fenster 30% der benötigten Energie erzeugt.

Bei Fröhlichs Beispiel ist interessant, dass er es nicht bei der theoretischen Konzipierung des Systems belassen hat, sondern zusammen mit einer Zeichnerin im Architekturbüro viele Details entwickelt hat (Abb. 5). Das liege daran, dass er als Experimentalphysiker gewohnt sei, Theorien mit Experimenten zu prüfen und diese auch selber zu bauen. Er hat sich mit der Eliminierung von Nägeln in der Konterlattung in der Dachkonstruktion ebenso wie mit der Entlüftung der Toiletten oder dem richtigen [BW3]Glas[MSOffice4]  und dessen Einbringung für die Isolierfenster beschäftigt. Auch hat sich die durchgehende Dämmung gegen das Erdreich als knifflige Angelegenheit herausgestellt, die er aber mit eingehender Produktforschung bewältigen konnte. Zudem legten die Entwickler auch selber Hand an, etwa bei der Anbringung von Teflonfolien vor den Sonnenkollektoren.[xi] Das Haus erfüllte von Anfang an die im Simulationsprogramm errechneten Werte und würde heute dem Minergiestandard genügen. Auch waren bis heute keine tief greifende Sanierungen nötig, selbst der eigens programmierte Steuerungscomputer läuft seit 30 Jahren einwandfrei.

Architektonisch interessante Elemente wie die zweifach geknickte Fassade mit relativ kleinen sprossenfreien Fenstern und einer Holzverschalung, die sich mit den Sonnenkollektoren abwechselt, sind immer auch energetisch begründet – die vertikale Schalung hat mit dem kleineren Ausdehnungskoeffizienten von Holz in der Längsrichtung zu tun, die Fenstergrösse mit dem Wärmeverlust, die geknickte Fassade mit jeweils idealen Einfallswinkel der Sonne auf die Kollektoren während des Tagesablaufes. Aus der geknickten Abwicklung der Aussenhülle ergibt sich eine interessante räumliche Disposition des Hauptwohn- und Essraumes, der natürlich auch direkt von der Ausrichtung profitiert und in der Höhe dem Dachverlauf folgend eineinhalb bis zweigeschossig und mit einer Galerie versehen ist. Der Architekt Meisser, der laut Fröhlich dieses spezifisch erworbene Fachwissen nach diesem Haus nie mehr aktiv genutzt hat, hat aus den vorgegebenen Bedingungen auch formal ein ansprechendes Gebäude zu planen vermocht.

Der Experimentalphysiker, der autodidaktisch zusätzlich zum Bauphysiker wurde und auch 30 Jahre nach der Planung die Dimensionen der Bauteile in Millimetern zu beziffern weiss, spricht von der Frustration, dass sich diese einfachen Erkenntnisse im Bauwesen erst heute allmählich als allgemeine Baustandards durchsetzen und nicht mehr als Spinnereien abgetan würden. Verschiedentlich hat er sein Wissen als Gutachter bei einzelnen Gebäuden einsetzen können. Als Mitglied in Baukommissionen oder der Davoser Umweltkommission ist er aber mit seinen Kenntnissen oft auf taube Ohren gestossen.

Holzbau für Alle

«Das nur energiegerechte Haus ist ebenso wenig Ziel wie das nur funktionsgerechte; die Lösung, die nur konstruktiv ‹sauber› ist, befriedigt uns ebenso wenig wie die nur darübergestülpte ‹gute› Form: Qualität entsteht durch Komplexität.»[xii] Dem unbescheidenen Anspruch der Architekten der Cooperative Dornbirn, (Dietmar Eberle, Wolfgang Juen, Markus Koch, Norbert Mittersteiner; Zusammenarbeit 1979–1982) kann ihre 1982 fertig gestellte Siedlung in Hörbranz im Vorarlberg in weiten Teilen standhalten. Die an einem Steilhang übereinander angeordneten Holzhäuser sind mit der Bauherrschaft geplant und teilweise auch gebaut worden (Abb. 6, 7). Bis auf die Sockel mit Fundierung aus Beton wurden die Häuser als Holzskellettbauten mit Horizontalschalung errichtet. Die vier Haupthäuser sowie ein zusätzliches Atelier und eine Alterswohnung sind alle über einen Gemeinschaftsraum erschlossen. So entstehen getrennte Einheiten, die durch eine gemeinsame, oben verglaste Halle erschlossen und zum Häusercluster zusammengefasst werden. Dadurch ist die Siedlung sehr kompakt, ohne beengend zu wirken und die Bewohner haben den Mehrwert des gemeinsamen Raumes, der als unbeheizter Raum mit Pufferwirkung auch zur guten Energiebilanz beiträgt. Energieeffizientes Bauen ist in diesem Fall auf wenige einfache Massnahmen beschränkt: Zweistöckige verglaste Veranden in den Wohnungen zur passiven Nutzung der Sonnenenergie, nach Norden fast geschlossene Fassaden, eine kompakte Bauweise und eine gemeinsame Holzschnitzelheizung. Selber haben die Erbauer ihre Bauweise lieber als sparsam denn als ökologisch beschrieben. Konstruktions-, Material-, Raum- und Energieökonomie sowie Selbstbau vor allem im Innern führten zu sehr erschwinglichen Behausungen. Denn auch «Bauen für den weniger privilegierten Teil der Bevölkerung, Bauen für eine andere Zukunft» gehört zu den zentralen Anliegen der Architekten, und der rohe, einfache Holzbau schien ihnen dafür geeignet zu sein.scheint ihnen das geeignete Mittelgewesen zu sein. In der Disziplinierung der architektonischen Mittel und dem differenzierten Umgang mit der Hanglage wirkt die Siedlung wie aus einem Guss. Der österreichische Architekturkritiker Otto Kapfinger meinte 2001, 20 Jahre nach seinem ersten Besuch der Siedlungen der Cooperative Dornbirn, dass der jugendliche Elan der Architekten, die eben auch schnell und selber bauen wollten, noch heute spürbar sei.

Die Solarmaschine

Das Gewerbehaus Micafil, 1979 vom Architekten Pierre Robert Sabady in Zürich vermutlich als eines der einzigen Solar-Grossprojekte fertiggestellt, zeugt von der erstaunlichen Bereitschaft einer Bauherrschaft, sich auf ein Experiment einzulassen. Der noch in Betrieb stehende Bau sticht heute kaum aus der Umgebung heraus und scheint ein konventionelles Beispiel der 1970er-Jahre zu sein (Abb. 8), aber gerade dies macht das Gebäude  spannend, weil das zentrale Anliegen der Solarnutzung nicht auf den ersten Blick sichtbar wird, obwohl der Entwurf stark darauf ausgerichtet ist. Sabady forschte zur Solartechnik, er hat Bücher und Artikel zum Thema publiziert und auf Fachtagungen referiert. Das Gebäude steht im Feld der ökologischen Architektur seiner Zeit schon wegen seiner Grösse (Länge: 130 Meter) und das Investitionsvolumen (13 Mio. Schweizer Franken) allein da. Die Massnahmen für die Eneregieeinsparung sind eine Kombination von einfachen Schnitt- und Grundrissüberlegungen mit technischen Errungenschaften und industriellen Materialien. Die eine, nach Süden orientierte Längsfassade ist grosszügig befenstert, zusätzlich sind alle Brüstungen als Luftsonnenkollektoren (die Luft dahinter wird direkt aufgeheizt) 45° nach vorne geneigt und dienen gleichzeitig als Vordach zur jeweils darunter liegenden Etage. Durch die schräggestellten Brüstungen erscheint das gleichfalls um 45° geneigte Dach ebenfalls als Teil dieser kaskadenartigen Abfolge von schrägen und vertikalen Flächen. Es ist teilweise mit Kollektoren belegt, die sich visuell den rostroten Brüstungspaneelen annähern. Die paradigmatische 45°-Stellung der Südfassadenflächen geschieht hier durch die Brüstungen und die Fenster werden nicht als einzige Elemente zum Einfangen der Sonnenstrahlung eingesetzt, was zu einer sehr spezifischen Schnittlösung führt. Die Fassade besteht aus Metall, Glas und vorfabrizierten Waschbetonplatten und hebt sich vom Materialkanon des «biologischen» Bauens ab. «Wir leben in einem Zeitalter der Harmonie. Unsere Devise kann nicht heissen, ‹Zurück zur Natur› sondern ‹Vorwärts mit der Natur›. Die Zukunft liegt in der modernen Technik, minimal angewendet.»Insofern stellt dieses Haus einen Ausblick in die heutige Zeit dar und unternimmt keinen Versuch der Darstellung einer sogenannt natürlichen Ästhetik. Selber verschiedentlich über die ignoranten Vertreter seiner Zunft wetternd, legt Sabady seine Herkunft als moderner Architekt an verschiedenen Stellen offen. So zeichnen die beiden Seitenfassaden aus Betonfertigteilen in abstrahierter Form den spezifischen Sonnenhaus-Schnitt nach (Abb. 9), der in der Hauptfassade mit anderen Gestaltungselementen wie Farben, Materialien, Bepflanzung und Mittelrisalit konkurriert. Der Architekt meinte im Voraus in einem Text, der Energieverbrauch des Micafil-Hauses liege im Vergleich mit konventionell geplanten Gebäuden bei etwa einem Drittel, in einer Publikation nach der Fertigstellung wurde die Einsparung sogar mit 45% bezeichnet. Der Versuch, dies heute zu verifizieren, scheiterte daran, dass durch Besitzerwechsel (Micafil gehört heute zu ABB) sowie ausgelagerte Bewirtschaftungsfirmen, die ebenfalls schon gewechselt haben, niemand mehr davon Kenntnis hat. Einzige Auskunft der Verwaltung: Die Kollektoren seien nicht mehr in Betrieb.

Enthusiasmus damals, Pragmatismus heute

Die Diversität der Ansätze damals steht im Kontrast zur Standardisierung und Fokussierung auf Energieeffizienz heute. Die dargestellten Projekte zeigen stellvertretend für die Epoche ihrer Entstehung, dass es damals eher um die Suche nach einer wörtlichen Verbindung von Haus und Natur ging. Der Störfaktor Mensch sollte für die Erde erträglicher gemacht werden. Das schlechte Gewissen, überhaupt auf der Welt zu sein, steht heute im Hintergrund, während die Flucht aus der Stadt keine Erleichterung mehr bringt: Die Ausbreitung der Agglomerationen entlang von Zug- und Autobahnstrecken verdeutlicht, dass vorstädtisches Leben auf dem Land schon lange zur Realität geworden ist. Zu hoffen bleibt, dass die heutige politische und gesellschaftliche Akzeptanz des Nachhaltigkeitsgedankens (mehr als drei Jahrzehnte nach der ersten Ölkrise!) nicht nur mehr Bürokratie schafft, sondern auch den Experimentiergeist fördert.